VenaSeal und das Kleben von Venen

In der letzten Zeit ist geradezu ein Hype um das Verkleben von Venen entstanden. Wir haben seit 2009 über diese Möglichkeit geforscht und 2011 die ersten Studiendaten auf einem Fachkongress (Deutsche Gesellschaft für Phlebologie) vorgestellt. Sie finden in unseren Fallbeispielen auch etwas zum Thema Venenkleber. Und wir haben gelegentlich auch in der Presse auf solche Neuerungen hingewiesen. Das Verkleben von Venen ist derzeit jedoch KEINE Methode der ersten Wahl, besonders nicht, wenn es um risikoarme Methoden mit gutem optischen Effekt gehen soll. Die Idee des Klebens ist gut: Eine kranke Vene wird ganz ohne Betäubung verschlossen und zugleich verkleinert. Die anderen modernen hervorragenden Methoden wie Radiowelle, Laser und Mikroschaum können das nicht so leisten: Sie benötigen eine spezielle, wenn auch schmerzfreie Betäubung, die Rückbildung der Venen kann einige Wochen in Anspruch nehmen, und es sind gelegentlich geringe Beschwerden möglich. Letzteres betrifft besonders großen Venen. Das Kleben könnte das alles vermeiden. Der Wunschtraum wäre ein Kleber aus patienteneigenem Blutextrakt, also ohne Chemie und ohne Fremdkörper. Aber genau den gibt es vorläufig nicht.

Einsatz von Venenkleber 

Das Kleben von Venen ist für uns stets nur eine Lösung für sehr spezielle Einzelfälle gewesen, denen anders nicht zu helfen war. Wir haben Kleber in der Vergangenheit u.a. eingesetzt bei Patienten, die keinerlei Kompressionsmittel erhalten durften, mit arteriellen Durchblutungsstörungen und bei besonderen Nervenleiden. Dabei haben wir stets eine punktweise Verklebung bevorzugt, um mit minimalen Klebstoffmengen auszukommen. Die Ergebnisse waren gut, die Patienten sehr zufrieden. Aus diesem Grund habe ich diese Neuheiten auch gern öffentlich mitgeteilt, ebenso die Hoffnung, dass weitere und bessere Klebesysteme entwickelt werden.

IntraShape®-Methode

Im Herbst 2013 haben wir zwei neue, von einer Schweizer Firma entwickelte Venentechniken erstmals wissenschaftlich vorgestellt, die ganz neue Möglichkeiten eröffnen: IntraShape®, eine Methode zum Verkleinern kranker Venen mit Hyaluronsäure, und Venartis®-SGP, eine Technik speziell zum Verkleinern von oberflächlichen Venen. Beide sind bereits im Rahmen von Studien verfügbar und wesentlich unkritischer als ein Kleber. Kombiniert man bewährte Methoden wie Closure Fast® (Radiowelle), den angioclinic® Venenlaser oder den Doppelradial-Laser ELVeS® 2R mit diesen Methoden, so erhält man sofort verschlossene und verkleinerte Venen, wie beim Kleben. Die Patienten benötigen keinen Kompressionsstrumpf, sind sofort alltagstauglich und bleiben beschwerdefrei. Alles das erzielt man ohne problematische Kleberchemie. Verwendet man zugleich einen Schaum – Kombitechnik (z.B. PhleboCath®), so werden sogar Seitenäste und Perforansvenen in einem Arbeitsgang mitversorgt, es ist keinerlei Anästhesie erforderlich. Das macht die Eingriffe medizinisch hochwertiger und fördert nebenbei das optische Ergebnis erheblich. Diese Qualität kann derzeit keine Klebetechnik leisten. Alle bis heute in Anwendung oder Erprobung befindlichen Venenkleber sind so genannte Cyanoacrylate.

Bewertung von Venenklebern

Es sind Klebstoffe, die im Haushalt als Sekundenkleber bekannt sind. Es sind harte Werkstoffe, ähnlich wie Plexiglas. Nur mit weiterer Chemie bekommt man sie etwas weicher. Der chemische Klebstoff löst sich im Inneren des Körpers oft nur sehr langsam auf. Aus medizinischer Sicht sind es daher problematische Implantate. Die verwendeten Klebstoffe sind medizinisch zugelassen. Die Wirkung ist auf der Haut gut erprobt (z.B.: Sprühpflaster), im Körperinneren aber fragwürdig (Fremdkörperreaktionen, Granulome, Entzündungen). Für die Anwendung in Venen gibt es, außer einem immer wieder zitierten Versuch an 10 (!) Patienten aus Haiti (!) 2003 keinerlei publizierten Langzeiterfahrung. Implantate sind stets kritisch zu sehen, denn sie können nur mit dem Aufwand einer schwierigen Operation wieder entfernt werden, wenn Probleme entstehen. Die erste Generation von Implantaten (z.B. Silicon zur Brustvergrößerung!) ist selten ausgereift. All das mahnt sehr zur Vorsicht. Eine US-Firma (Sapheon Inc., verkauft an Covidien, übernommen von Medtronic Inc.) versucht, ihr Klebesystem (VenaSeal®) in Europa aggressiv zu vermarkten. In den USA ist es erst seit 2/2015 zugelassen. Kritikpunkt und Grund für diese Zeilen: Das System wird so vermarktet, als würde es alle anderen Venentechniken ersetzen und wäre die Lösung schlechthin.

Der Umstand, dass mehrere Gramm Kunststoff zumindest einige Jahre lang implantiert werden, wird als „zugelassener Kleber“ verharmlost. In Deutschland dürfen sich Anwender nach einigen Stunden Kursteilnahme und einigen wenigen Eingriffe als „zertifizierten Zentren“ bezeichnen. Das ist legal, aber irreführend. Die Methode erlaubt nur Behandlungen von Stammvenen bis 10 oder 12 mm Durchmesser. Bei solchen nur mäßig großen Venen hilft aber auch jede andere moderne Methode. Für sehr große Venen, die besonders vom Kleben profitieren würden, funktioniert VenaSeal® nicht und ist daher untersagt. Oberflächliche Krampfadern bleiben unbehandelt, oder werden dann doch für herkömmliche Methoden fällig. Wir haben Patienten mit VenaSeal® „verklebten“ Beinen gesehen, die für ausgedehnte Kunststoffimplantate in den Beinen mehr als 8.000 € (!) gezahlt haben und uns betroffen konsultierten, weil äußere Krampfadern, undichte Verbindungsvenen und alle kosmetischen Belange unversorgt waren. Das ist schade, denn die Methode ist vom Grundgedanken her sehr gut. Die meisten Patienten, die uns bisher wegen Klebetechniken konsultierten, taten dies nicht wegen medizinischer, sondern überwiegend kosmetischer Anliegen.

Die Vorstellung, dass man nach dem Arztbesuch mit optisch perfekten Beinen nach Hause geht, ist einfach zu faszinierend. Dieses Ziel wird aber mit anderen Methoden besser erreicht als mit Klebern. Für die Zielgruppe der ästhetisch besonders Anspruchsvollen empfehle ich eine Kombitechnik aus angioclinic®- Venenlaser, PhleboCath® und IntraShape® der aktuellen Serien. Die Behandlung vereint die besten Entwicklungen der letzten Jahre auf bewährtem, hohen Sicherheitsniveau ohne problematische Chemie. Haben Sie Fragen zu Klebetechniken? Wir antworten Ihnen gern.

 

Die Antworten auf häufig gestellte Fragen

Auf einen Blick: Die wichtigsten Fragen zum Thema Klebetechniken hat Dr. med. Johann C. Ragg, Chefarzt der angioclinic® Venenzentren für Sie beantwortet.

Was ist der große theoretische Vorteil der Klebetechniken?

Klebetechniken sind eine neue Alternative zur Behandlung von Krampfadern und Venenschwäche. Sie sollen die „schnellste“ Lösung zu schönen Beinen werden, denn die Wirkung tritt direkt ein und wird theoretisch sofort sichtbar. Mit einem Gewebekleber werden erkrankte Venenabschnitte verschlossen. Die Klebstoffe sind aus anderen medizinischen Anwendungen in ähnlichen Zusammensetzungen langjährig bekannt und erprobt. Soweit die Grundidee. Anlass zur Entwicklung von Klebetechniken war die Beobachtung, dass andere Behandlungsmethoden wie z.B. die Radiowelle eine ausgedehnte örtliche Betäubung benötigen, und dennoch der Verschlussvorgang kranker Venen mit einer nur allmählichen Schrumpfung über mehrere Wochen erreicht wird und gelegentlich vom Patienten verspürt werden kann. Klebetechniken könnten dies ohne Betäubung leisten, und Rückbildungsbeschwerden wie tastbare Verhärtungen oder auch vorübergehend sichtbare Verfärbungen sollten praktisch nicht mehr auftreten. Das erste zugelassene Klebesystem (VenaSeal) hat jedoch diese Hoffnungen nicht erfüllt, da Patienten durchaus Beschwerden haben. Die Veschlussraten sind nicht besser als bei der Radiowelle. Oberflächliche Adern, die der eigentliche Problemort für Verfärbungen und Verhärtungen sind, wurden bisher mit VenaeSeal nicht offiziell behandelt. Und der Preis für dieses Klebesystem ist etwa 5-fach soviel wie ein Radiowellenkatheter.

Was sind die möglichen heutigen Einsatzgebiete für ein Klebesystem?

Venenschwäche der Stammvenen, mit einem Durchmesser bis zu ca. 12 mm Notwendigkeit einer Behandlung ohne Bandagen oder Kompressionsstrümpfe (z.B. bei besonderer Schmerzempfindlichkeit, Nervenleiden oder arteriellen Durchblutungsstörungen)

Wie funktioniert die Behandlung?

Über eine kleine Punktion, nicht anders als bei einer Laser- oder Radiowellentherapie, wird ein Katheter in die kranke Vene geschoben. Beim Zurückziehen injiziert der Arzt den Gewebekleber und drückt von außen 0,5 - 1 Minuten auf die behandelte Strecke. Die Venenwände werden so Stück für Stück verklebt. Die gesamte Behandlung geschieht unter Ultraschallkontrolle. Die stillgelegte Krampfader baut der Körper nach und nach ab. Das Blut sucht sich andere Wege durch funktionstüchtige Gefäße. Der gesamte Eingriff ist schmerzfrei, kann bei oberflächlicher örtlicher Betäubung angewandt werden und dauert ca. 30 Minuten.

Wie ist das Ergebnis?

Das Besondere am Ergebnis der Behandlung ist ein „Soforteffekt“: Die Venenschwäche verschwindet praktisch sofort. Zum Vergleich: Nach Radiowelle oder alleiniger Verödungsbehandlung kann es mehrere Tage dauern, bis die Vene "dicht" ist. Lediglich eine leichte Entzündungsreaktion im Verlauf der Heilung ist für einige Tage denkbar. Die beste Option für einen sofortigen und zuverlässigen Venenverschluss ist allerdings der angioclinic - Venenlaser, da dieser keinen chemischen Kleber benötigt. Die begleitende örtliche Betäubung ist unspürbar. Patienten können ihre Beine sofort nach der Behandlung ebenso wie nach einem angioclinic - Venenlaser sofort belasten und müssen keine Kompressionsstrümpfe tragen. Mit Blutergüssen ist nicht zu rechnen.

Wichtig: Äußere Krampfadern werden mit diesem Venenkleber NICHT versorgt. Hier muss entweder auf eine allmähliche Rückbildung gewartet werden, oder der Arzt wird eine ergänzende Operation (Phlebektomie) in Lokalanästhesie oder eine Schaumverödung vorschlagen. Die Kosmetik wird also ausdrücklich NICHT sofort verbessert.

Wie ist der aktuelle Stand der Forschung?

Die neu zugelassene Klebeanwendung VenaSeal stammt aus den USA und wurde von einem Radiologen eigens für die sogenannten Stammvenen entwickelt. Das sind 1 bis 2 cm unter der Haut verlaufende größere Sammelvenen, die früher chirurgisch mit Stripping („Venenziehen“) behandelt wurden. VenaSeal ist ein für den Arzt komfortables System, welches abgestimmt ist auf den Einsatz durch besonders interventions- und ultraschallerfahrene Experten. Die Ziele der medizinischen Forschung an Venenverklebung sind: 1. Entwicklung eines Klebers, der nach wenigen Monaten rückstandsfrei und untoxisch vom Körper abgebaut werden kann; 2. Entwicklung einer Technik, die die Klebstoffmenge erheblich reduziert; 3. bezahlbare Systeme in der Größenordnung der Kosten für eine Radiowelle (250 - 450 €).

Was soll ich tun, wenn ich mich für einer Kleberanwendung interessiere?

Die Venenmedizin hat in den letzten Jahren derart viele neue Möglichkeiten eröffnet, dass die wenigsten Experten sie alle kennen. Es gibt Fälle, in denen der Kleber heute schon die beste Lösung ist, aber dies sind sehr seltene Ausnahmen. Bei Ihrer Suche werden Sie Ärzte finden, die lieber operieren, andere, die lieber nur Radiowelle oder Laser einsetzen und wieder andere, die am liebsten alles nur mit Kochsalzlösung veröden wollen. Meine persönliche Empfehlung ist, dass Sie sich von mir eine Zweitmeinung einholen. Ich kenne die Vor- und Nachteile aller Verfahren. Durch ein persönliches Gespräch und einen gemeinsamen Blick auf den Ultraschall werden Sie die Unsicherheit wieder los, die bei zu viel Information aus dem Internet entsteht.