Medikamentöse Lysetherapie

Die Fibrinolyse stellt ein weiteres, zunehmend interventionell eingesetztes Verfahren dar. Die Indikation betrifft keinesfalls nur akute, sondern auch chronische, akut exazerbierte arterielle Gefäßobstruktionen. Streptokinase wurde als exogener Plasminogen - Aktivator bereits 1933 entdeckt (TILLET/GARNER, J Exp Med 58:485 - 502, 1933). Die Substanz bewirkt über Zwischenschritte (Plasminogen-Komplexe), dass das inaktive Proenzym Plasminogen umgewandelt wird in Plasmin, welches Fibrin in hohem Grade selektiv zu lysieren vermag. Dies geschieht umso effektiver, je frischer das Fibrinaggregat ist. Es entstehen Fibrin - Spaltprodukte, die als Kontrollparameter für die Effektivität einer Lyse herangezogen werden können. Ein wesentlicher Nachteil der Streptokinase ist deren Antigenität, die in 1,5 - 20% d.F. allergische Reaktionen hervorruft (QUINONES - BALDRICH).

Urokinase ist ein Produkt renaler Tubuluszellen und wurde 1947 erstmals isoliert (MACFARLANE, PILLING). Ursprünglich teuer und aufwendig in der Gewinnung, kann die Substanz heute industriell aus fetalen Nierenzellkulturen gewonnen werden. Urokinase wandelt Plasminogen direkt in Plasmin um.

Eine weitere, erst seit kurzem angewandte Substanz ist rt-PA. Es handelt sich um eine nahezu in allen humanen Geweben präsente, natürliche Substanz, die als Gewebe - Plasminogen - Aktivator (tissue-type - PA, = t-PA) bezeichnet wird (erstmals isoliert von RIJKEN et al., 1976). Eine medizinische Nutzung wurde erst durch die Entwicklung rekombinanter DNA - Technologien (Basis: Melanom - Zell - Linien; Actilyse: humane Zellen; Vektor: E. Coli) möglich, die auf diese Weise gewonnene Substanz heißt daher rt-PA. Rt-PA ist ein direkter Plasminogen - Aktivator, der in Gegenwart von Fibrin ein Vielfaches seiner sonstigen Aktivität entwickelt und somit "thrombusselektiv" wirkt.

Die Halbwertzeit von rt-PA ist mit ca. 4,4 min. (Nebenkomponente ca. 40 min) deutlich kürzer als die von Streptokinase (30 min) und Urokinsae (14 +/- 6 min), diese Angaben gelten aber nur für die Bolusinjektion (li.). Bei höheren und über längere Zeit verabreichten Dosen ergibt sich ein langsameres Absinken des Plasmaspiegels (re.). Andere Substanzen mit potentiell höherer lytischer Aktivität, wie Pro - Urokinase, Anisoylated Plasminogen Streptokinase Activator Complex (= APSAC), FAB - Urokinase, sind gegenwärtig in Erprobung. Im Gegensatz zur systemischen i.v. - Lyse haben sich lokale Lysetechniken in der Behandlung peripherer thrombotischer Okklusionen als wesentlich effektiver (bis zu 10-fach) und auch nebenwirkungsärmer erwiesen (Dosisreduktion, weniger Blutungs-komplikationen) und werden daher in erster Linie angewandt. Das Fibrinolytikum wird hierbei über spezielle Lysekatheter möglichst in den zuvor mit einem Führungsdraht sondierten Thrombus hineingebracht, dies dient der Vergrößerung der Angriffsfläche. Ein ledigliches "Berieseln" einer Okklusion von proximal ist hingegen nicht sinnvoll.

Gängige Dosierungen einer lokalen Lyse in der Behandlung peripherer, thrombotischer Okklusionen sind beispielsweise nach HESS (He1) ... Diese Dosierungen gelten im Vergleich zu früheren Konzepten als "niedrig", sind jedoch klinisch hochwirksam. Eine Variante ist die Pulse - spray - Lyse, bei der impulsweise Fibrinolytikum aus einem Katheter mit Seitenlöchern forciert unter absichtlicher Inkaufnahme mechanischer Effekte in den Thrombus eingebracht wird. Die Komplikationsrate der lokalen peripheren Lyse ist insgesamt gering: Zwar treten Blutungsprobleme - in erster Linie im Bereich der Punktionsstelle - bei bis zu 35% d.F. auf (COHEN et al. 1986), ernsthafte Komplikationen wie retroperitoneale oder gar intrazerebrale Blutungen sind jedoch selten (< 1% d.F.). Es versteht sich von selbst, dass Kontraindikationen (z.B. potentielle Blutungsherde aus OP, Neoplasie, Ulcus) penibel beachtet werden müssen (s. Actilyse - Heft).

In unserer Abteilung verwenden wir aufgrund der thrombus-spezifischen Aktivität und der kurzen HWZ ausschließlich rt-PA. Die Dosierung besteht in einer fraktionierten Gabe von 10 - 20 mg (jeweils 1 - 2 mg/2 - 5 min) mit sehr niedrigdosierter Fortsetzung (1 mg/h für 12 - 18 h) unter effektiver Heparinisierung.

Erfahrungen

Nach unserer Erfahrung ist auch die kombinierte Behandlung einer akuten, thrombotischen Okklusion im Femoropoplitealgebiet mit Lyse und Laserangioplastie erfolgversprechend. Hierbei wird mit dem Laserkatheter im weichen Material ein Kanal geschaffen, der anschließend über einen Lysekatheter perfundiert wird. Dieses Verfahren hat den Vorteil, daß 1. bereits initial der Blutfluß wiederhergestellt wird und 2. dem Fibrinolytikum eine optimale Angriffsfläche geboten wird.

Man muss wissen, dass auch die lokale i.a. Applikation von Fibrinolytika eine systemische Wirkung aufweist. Bereits geringe Dosen (rt-PA: z.B. 2,5 mg) führen zum systemischen Anstieg des Plasminogens. Dies bedeutet noch nicht zwangsläufig eine erhöhte systemische Blutungsbereitschaft, da auch die Thrombin - Bildung zunimmt (messbar am systemischen Anstieg des Thrombin - Antithrombin III - Komplexes, TAT) (für rt-PA: KLEIN et al, VASA 21, 1992, 251 - 253). Dieses Phänomen macht bei jeder Lysebehandlung die simultane Gabe von Heparin zur Vermeidung neuer Thrombusbildungen zwingend notwendig. Die Heparin - Dosierung (bei der rt-PA - Lyse: ca. 1000 IE/1 mg rt-PA), muss hierbei anhand der PTT (Ziel: 60 - 80s) kontrolliert und ggf. variiert werden.

Je frischer der Thrombus ist, desto schneller und effektiver ist die Fibrinolyse. Mit zunehmender Organisation eines Thrombus sinkt sein Gehalt an Fibrin, ebenso das Plasminogen, sodass eine Lyse weniger aussichtsreich ist. Akute embolische oder thrombotische Okklusionen sind daher für eine Lyse prädisponiert. Innerhalb der ersten fünf Tage können über 75 % der embolischen und über 50 % der thrombotischen Verschlüsse wiedereröffnet werden. Aber auch Okklusionen mit längerer Anamnese können erfolgreich lysiert werden, sofern wesentliche thrombotische Anteile vorliegen (ggf. mit subsequenter PTA). Da Thrombusmaterial in atherosklerotischen Arterien vergleichsweise langesam organisiert, kann dies auch für Okklusionen mit mehr als 6 - monatiger Anamnese zutreffen. Besser als mit alleiniger Lyse können akute arterielle Okklusionen kombiniert durch Rekanalisation und Lyse behandelt werden. Dies gilt auch für Bypassokklusionen. Das erzielte Ergebnis ist außergewöhnlich glattwandig. Zur Stabilisierung wurden drei Palmaz - Stents implantiert.

 

Periphere arterielle Fibrinolyse

 

Lokale Fibrinolyse der intrakraniellen Gefäße